Forschungs-Nachricht

Navigation in einem kleinen transparenten Fisch

Wissen Fische, wo sie sind? Forschende unserer Abteilung für Computational Neuroethology haben ein Verhaltensexperiment entwickelt, um Navigation bei der winzigen transparenten Fischart Danionella cerebrum zu untersuchen. Sie konnten zeigen, dass sich ausgewachsene D. cerebrum von hellen Lichtquellen wegbewegen, ein Verhalten, das als negative Phototaxis bekannt ist. Indem sie Bereiche der Dunkelheit als Belohnung nutzten, brachten die Forschenden den Fischen bei, abstrakte visuelle Hinweise zu lernen, um diesen Ort der Belohnung wieder zu finden. Wurden die visuellen Hinweise entfernt, so verschlechterte sich die Fähigkeit der Fische, den gelernten Ort wiederzufinden. Dies ist ein Beleg dafür, dass sich die Fische anhand visueller Landmarken und einer internen kognitiven Karte in ihrer Umgebung orientieren. Diese neue Studie, die in der Fachzeitschrift Current Biology veröffentlicht wurde, bildet die Grundlage für künftige Experimente, bei denen die Gehirnaktivität von D. cerebrum aufgezeichnet werden soll, um herauszufinden, welche grundlegenden neuronalen Mechanismen hinter der Fähigkeit zur räumlichen Navigation von Wirbeltieren stecken.

Wir wissen, dass sich Fische gut orientieren können. Ein Beispiel hierfür ist die beeindruckende Wanderung der Lachse, oder die spezifische Bindung eines Clownfisches an "seine" Anemone. Woher aber weiß der Fisch, wo er sich befindet? Um diese Frage zu beantworten, entwickelte Dr. Timothy Lee, Postdoktorand im Labor von Dr. Kevin Briggman, ein visuelles Verhaltensexperiment für den kleinen durchsichtigen Fisch Danionella cerebrum. D. cerebrum gehört zu den kleinsten Fischen der Welt und ist bis ins Erwachsenenalter hinein praktisch durchsichtig - man kann sein Gehirn sehen. Er ist daher ein spannender Organismus für die Untersuchung neuronaler Schaltkreise, die das Verhalten steuern. Bislang sind die Navigationsfähigkeiten dieser Fische noch weitgehend unerforscht.

In Anlehnung an das Morris-Wasserlabyrinth, ein Standardtest zur Untersuchung der Navigationsfähigkeiten von Nagetieren, haben Lee und Briggman eine eigene Navigationsaufgabe für ihre Fische entwickelt. Das originale Morris-Wasserlabyrinths befindet sich, wie der Name schon sagt, im Wasser. Wasser wird hier als negativer Reiz verwendet, da Ratten nur schwimmen, wenn sie müssen. Für Fische ist dieser Versuchsaufbau daher offensichtlich nicht geeignet. Lee und Briggman setzten in ihrem Labyrinth helles Licht als Motivation für D. cerebrum ein. Da die Fische dunkle Bereiche gegenüber hellen bevorzugten, liessen sich kleine, dunkle Bereiche gezielt als Belohnung einsetzen. Die Fische lernten, diese Orte anhand abstrakter visueller Landmarken wieder zu erkennen. "Mit der Zeit lernten die Fische den Ort der Belohnung und schwammen lieber dorthin, auch wenn der dunkle Fleck gerade nicht gezeigt wurde", sagt Dr. Timothy Lee.

Ein Schlüsselexperiment bestand darin, die Fähigkeit von D. cerebrum zu testen, den visuellen Kontext der Umgebung zu nutzen: Es ist eine Sache, anhand dessen, was man sieht, zu wissen, wo man sich befindet (z. B. "mein Haus ist das rote Haus"). Eine andere Strategie ist es, anhand des umgebenden visuellen Kontextes zu erkennen, wo man sich befindet (z. B. "mein Haus ist hinter dem blauen Haus, obwohl ich es nicht sehen kann"). Indem sie visuelle Barrieren in der Verhaltensarena platzierten, zeigten Lee und Briggman, dass die Fische den breiteren visuellen Kontext der Umgebung nutzen, während sie versuchen, den Ort der Belohnung zu finden. Dies zeigt uns, dass D. cerebrum ein räumliches Gedächtnis und eine interne kognitive Karte besitzt.

Die nächsten Schritte des Forscherteams bestehen darin, diese Verhaltensexperimente mit 2-Photonen-Mikroskopie zu kombinieren, um einen Blick in das Gehirn von D. cerebrum zu werfen, während die Firsche lernen und ihre Aufgaben ausführen. Anschließend kann mit Elektronenmikroskopie eine Verbindung zwischen der Gehirnaktivität des Fisches und der Gehirnanatomie - auf Nanometerebene - hergestellt werden. "Diese Kombination an Methoden wird uns erlauben, auf der Ebene von Hirnfunktion und Neuroanatomie zu verstehen, wie die Schaltkreise im Großhirn von Danionella funktionieren, die für Navigation zuständig sind", sagt Dr. Kevin Briggman. Das übergeordnete Ziel des Teams ist es, die grundlegenden Mechanismen zu verstehen, wie neuronale Schaltkreise räumliche Navigation in Wirbeltieren ermöglichen und ob es konservierte Schalkreismotive gibt, die artenübergreifend sind.

Der Artikel erschien online in Current Biology (8.12.2023)

Lee and Briggman, Visually guided and context-dependent spatial navigation in the translucent fish Danionella cerebrum, Current Biology (2023)

Zur Originalpublikation

Jacqueline Day

Illustration von Jacqueline Day zur Publikation "Visually guided and context-dependent spatial navigation in the translucent fish Danionella cerebrum", Lee and Briggman, Current Biology (2023)

Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an:

Dr. Kevin Briggman
Wissenschaftlicher Direktor, derzeit Geschäftsführender Direktor