Instituts-Nachricht

"Den eigenen Weg gehen und sich nicht entmutigen lassen" – Interview mit Dr. Bettina Schnell

Seit September 2017 leitet Dr. Bettina Schnell die Forschungsgruppe "Neurobiology of Flight Control" am Forschungszentrum caesar. Der International Day of Women and Girls in Science, welcher alljährlich am 11. Februar stattfindet, war für uns Anlass, mit ihr zu sprechen.

Wer bist du und was machst du?

Schnell Mein Name ist Bettina Schnell. Ich leite eine der Forschungsgruppen am Forschungszentrum caesar und untersuche, wie das Gehirn der Fruchtfliege Flugverhalten steuert.

Wie siehst du zurzeit die Situation von Frauen in der Wissenschaft?

Schnell Das ist nicht so einfach zu beantworten. Also ich glaube, dass sich da schon eine Menge getan hat, was die Stellung der Frau betrifft. Dass es schon viele Möglichkeiten für die Vereinbarung von Beruf und Familie gibt. Das zeigen auch die vielen Beispiele für erfolgreiche Frauen in der Wissenschaft. Aber es gibt immer noch das Problem, beziehungsweise den Fakt, dass auf Ebene der Professoren und Max-Planck-Direktoren der Frauenanteil relativ gering ist. Frauen entscheiden sich einfach irgendwann gegen diese Karriere. Je höher man die Karriereleiter emporsteigt, desto geringer wird der Frauenanteil.

Woran liegt das deiner Meinung nach?

Schnell Frauen müssen sich genau in dem Alter beweisen, also einem hohen Konkurrenzdruck aussetzen, in dem bei vielen gerade die Familiengründung beginnt. Ich finde, da muss mehr getan werden. Um Frauen diesen Druck zu nehmen, sollten die Karrierewege flexibler werden. Es sollte zum Beispiel möglich sein, die Karriere zu unterbrechen, sich voll auf die Kinder zu konzentrieren und dann wieder uneingeschränkt in den Beruf einsteigen zu können. Man muss einfach den Lebenslauf etwas entzerren können.

Du bist ja selbst alleinerziehende Mutter. Wie regelst du Beruf und Familie?

Schnell Ich habe viel Unterstützung von meinen Eltern. Sie kümmern sich um meine Tochter, wenn Reisen oder wichtige Termine anstehen. Man muss sich einfach auf das Vordringliche konzentrieren. Also während der Arbeit auf die Arbeit und Zuhause mit voller Aufmerksamkeit auf die Kinder. Dazu möchte ich noch sagen, dass ich das generell sehr bereichernd finde. Ich würde auf nichts verzichten wollen. Weder auf meine Karriere noch auf die unfassbar spannende Zeit mit meiner Tochter.

Wie erklärst du dir, dass es zwar viele Biologiestudentinnen aber nur wenige Forschungsgruppenleiterinnen gibt?

Schnell Ich denke, dass das nicht nur an der Familiengründung liegt, sondern auch viel mit dem Konkurrenzkampf zu tun hat. Viele junge Frauen zweifeln an sich oder an der Karriere und entscheiden sich dann lieber für einen sichereren Weg, der mehr Erfolg verspricht.

Was könnte man tun, um für mehr Forschungsgruppenleiterinnen zu sorgen?

Schnell Man muss den Frauen eine klarere Perspektive bieten. Auch die Kinderbetreuung muss dringend ausgebaut werden, zum Beispiel auch bei Konferenzen. Der Karriereweg sollte etwas entzerrt werden können, um Frauen in der Zeit, in der die Familiengründung ansteht, etwas von dem Druck, sofort wieder im Labor stehen zu müssen, zu nehmen. Vielleicht können Frauen sich auch selber helfen, indem sie einander zum Beispiel durch Mentoring unterstützen. Es hilft sehr, Vorbilder zu haben, an denen man sich orientieren kann.

Hättest du im Rückblick etwas anders gemacht?

Schnell Ich glaube, ich hätte mehr noch zusätzliche Fortbildungen und Weiterbildungen genutzt. Ich habe mich immer sehr auf meine Arbeit fokussiert. Dabei hätte ich gerne an mehr Kursen teilgenommen, die es ja auch gibt, um in meinen Fähigkeiten breiter aufgestellt zu sein.

Was rätst du jungen Wissenschaftlerinnen, die denselben Weg gehen möchten wie du?

Schnell Ich würde ihnen raten, auf sich selbst zu vertrauen, darauf, dass sie es schaffen können. Und sich nicht von äußeren Zwängen beeinflussen zu lassen. Sie sollen ihren eigenen Weg gehen und sich nicht entmutigen lassen. Man steht viel unter Druck, sich wie der perfekte Wissenschaftler zu verhalten. Und es wird oft noch als Norm angesehen, dass Frauen kurze Zeit nach der Geburt wieder im Labor stehen. Aber das muss man selber entscheiden dürfen. Man ist ja kein schlechterer Wissenschaftler, nur weil man sich mal eine Auszeit für die Familie nimmt.

Das Gespräch führte Alina Gebauer, Abt. Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.