Forschungs-Nachricht

Dem Fliegengehirn eine Woche lang bei der „Arbeit“ über die Schulter gucken

Mit einem neuen automatisierten Versuchsaufbau gelingt es erstmals, die Aktivität vernetzter Nervenzellen bis zu einer Woche lang kontinuierlich aufzuzeichnen, während sich ein Tier bewegt, frisst oder schläft. Forscher des neuen Max-Planck-Instituts für Neurobiologie des Verhaltens - caesar zeichnen mit sogenannter „live cell imaging“ Mikroskopie die neuronale Aktivität im Gehirn einer Fruchtfliege auf, während sie gleichzeitig ihr Verhalten beobachteten. Dieser Ansatz, der im Journal of Neuroscience Methods veröffentlicht wurde, ist ein wichtiger Schritt um zu verstehen, was im Gehirn bei langsamen Prozessen wie dem Lernen oder der Gedächtnisbildung vor sich geht oder wie Schlaf oder Tag-Nacht-Rhythmus die Gehirnaktivität beeinflussen.

Was passiert im Gehirn beim Fressen oder Laufen, was beim Schlafen? Und wie entwickelt sich das Gedächtnis? Die Aktivität und Funktion von Neuronen und neuronalen Netzen mit einem bestimmten Verhalten in Verbindung zu bringen, ist eine komplexe Aufgabe. Bislang sind kontinuierliche Messungen an einem wachen Tier nur bis zu einer Stunde möglich gewesen. Andres Flores-Valle, Rolf Honnef und Johannes D. Seelig von der Forschungsgruppe "Neuronale Schaltkreise" haben nun eine Methode entwickelt, mit der sich diese Grenze deutlich überschreiten lässt. In dem neuen Versuchsaufbau befindet sich eine Fruchtfliege in einer virtuellen Realität, in der sie laufen, fressen oder schlafen kann. Gleichzeitig wird die Aktivität zahlreicher Nervenzellen in ihrem Gehirn bis zu einer Woche lang aufgezeichnet, Tag-Nacht-Rhythmen und Schlaf inbegriffen. Mit moderner 2-Photonen-Mikroskopie und sogenanntem Calcium-Imaging wird die Aktivität bestimmter Gruppen von Nervenzellen alle 5 Minuten für jeweils bis zu 60 Sekunden aufgezeichnet. Das Forscherteam validierte die Methode mit Aufzeichnungen von den gut beschriebenen wedge neurons, die eine zentrale Rolle bei der Orientierung des Fliegenkopfes spielen. Sie liefert nicht nur „Schnappschüsse“, sondern eine nahezu vollständige Dokumentation der neuronalen Aktivität und erlaubt es, sowohl schnelle als auch langsame neuronale Ereignisse zu analysieren.

Damit eröffnet das automatisierte Langzeit-2-Phototonen-Imaging neue Möglichkeiten, die zugrundeliegende neuronale Dynamik bei einer Vielzahl von Verhaltensweisen über mehrere Zeitskalen zu verstehen, zum Beispiel während des Schlafs, bei der Entstehung des Langzeitgedächtnisses oder bei zirkadianen Veränderungen.

Schlee | MPINB

Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an:

Dr. Johannes Seelig
Max Planck Forschungsgruppenleiter