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26.11.2024
Pressemitteilung
10.11.2017 um 10:19 Uhr
Wissenschaftler des Forschungszentrums caesar in Bonn und dem Helmholtz-Forschungszentrum Jülich publizierten diese Ergebnisse in Nature Communications.
Seit langem wird diskutiert wie Mikroschwimmer – Spermien oder kleine Lebewesen etwa Bakterien – navigieren. Diese grundlegende Frage bewegt sowohl Forscher, die biologische Mikroschwimmer verstehen wollen oder Ingenieure, die synthetische Mikroroboter entwerfen.
Der Spermienschwanz übernimmt mehrere Aufgaben: Er dient als Propeller, der das Spermium antreibt; als Antenne, die Sinnesreize aus der Umgebung aufnimmt und verarbeitet; und schließlich dient der Schwanz auch als Ruder, mit dem Spermien ihre Schwimmbahn korrigieren. Spermien schwimmen vorwärts in dem sie mit dem Schwanz „wackeln“. Wenn die Schlagbewegung wie eine Welle entlang des Schwanzes läuft, wird die Flüssigkeit nach hinten und die Spermien nach vorne gestoßen. Für die Navigation schlägt der Schwanz mehr nach einer Seite, wie das Ruder eines Bootes. Deshalb schwimmen Spermien auf gekrümmten Bahnen.
Die neuen Forschungsergebnisse zeigen, dass Spermien einen ungewöhnlichen Trick verwenden, um einen asymmetrischen Schlag zu erzeugen. Nicht nur eine, sondern zwei Wellen wandern entlang des Schwanzes: eine mit der Grundfrequenz und die andere mit der doppelten Frequenz. Musikalisch ausgedrückt: Spermien spielen mit „Noten“ unterschiedlicher Oktaven. Wenn sich diese beiden Wellen überlagern ändert sich die Auslenkung der Welle mit der Zeit. Deshalb wellt sich der Schwanz mehr zu einer Seite. Die zeitliche Änderung der Wellen steuert die Schwanzbewegung zum Navigieren. Es gibt aber einen gewichtigen Unterschied zu einem Schiffsruder: die Symmetrie wird nicht räumlich gebrochen – wie beim Ruder – sondern zeitlich. Schließlich konnten die Forscher zeigen, dass Progesteron, ein weibliches Sexhormon, die beiden Wellen oder „Noten“ aufeinander abstimmt und so die Schwimmbahn ändert. Spermien, wie gut gestimmte Instrumente spielen Akkorde, die durch chemische oder andere Signale entlang der Schwimmbahn orchestriert werden.
Abbildung 1. Navigation durch eine zeitliche Unterbrechung der Schlagsymmetrie.
Wenn der Spermienschwanz mit einer einzigen Frequenz schlägt, ist das Schlagmuster symmetrisch. Symmetrisches Schlagen kann nicht für die Navigation verwendet werden. Tatsächlich wandern aber zwei unterschiedliche Wellen gleichzeitig entlang des Flagellums. Eine Welle besitzt eine Grundfrequenz und die andere die doppelte Frequenz. Die Überlagerung dieser beiden Wellen (rechts), ergibt einen asymmetrischen Flagellenschlag, weil die Schlagamplitude sich mit der Zeit ändert (unten). Stimulation von Spermien mit dem weiblichen Sexualhormon Progesteron ändert die Amplitude und Phasenbeziehung dieser beiden Wellen.
Abbildung 2. Warhols Spermien
Eine Collage experimenteller Bilder von menschlichen Spermien. Das Quadrat in der Mitte veranschaulicht das wichtigste Ergebnis der Studie. Spermien navigieren durch die Kombination zweier Schlagfrequenzen. Die Krümmung der Schwimmbahn wird bestimmt von der Phase ψ zwischen den beiden Wellen.
Original Publikation
Guglielmo Saggiorato, Luis Alvarez, Jan F. Jikeli, U. Benjamin Kaupp, Gerhard Gompper, and Jens Elgeti (2017) “Human sperm steer with second harmonics of the flagellar beat” Nat. Commun.
Kontakt
Dr. Luis Alvarez
Project group leader for biophysics of cell motility
Department Molecular Sensory Systems
E-mail: luis.alvarez@caesar.de
Stiftung caesar
Die Stiftung caesar ist assoziiert mit der Max-Planck-Gesellschaft und betreibt in Bonn ein Zentrum für neurowissenschaftliche Forschung. Die wissenschaftliche Arbeit erfolgt nach den Exzellenzkriterien der Max-Planck-Gesellschaft.